Wie ein großer Teil der slowenischen Bevölkerung Südkärntens stimmte auch der Großvater von Filmemacherin Andrina Mracnikar 1920 für den Verbleib Kärntens in der Republik Österreich. Dieser Akt der Selbstbestimmung und der Demokratie hätte der Ausgangspunkt eines Zusammenlebens in Vielfalt sein können, wie es der slowenischen Minderheit gesetzlich auch zugesagt worden war. Stattdessen werden die Kärntner Slowen*innen seitdem auf vielfältige Art diskriminiert.
Andrina Mracnikar verwebt das Persönliche und das Politische, indem sie sowohl ein bewegendes Familienportrait als auch eine kluge, historische Bestandsaufnahme entwirft. In den Interviews mit ihren Verwandten bekommen Ereignisse aus der Vergangenheit bildliche Präsenz. Die Bedeutung der slowenischen Sprache und die damit einhergehenden Benachteiligungen im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung werden so empathisch nachvollziehbar.
Einer der eindringlichsten Momente des Films schildert die Angriffe auf die slowenische Volksgruppe im Jahr 1972 beim sogenannten Ortstafelsturm. Wie in der Nazizeit fuhr ein faschistischer Mob mit Autos durch die Ortschaften und riss unter den Augen der Polizei zweisprachige Ortstafeln aus der Verankerung – die Erzählungen davon, die der Film versammelt, machen 50 Jahre danach sprachlos. Umso wichtiger ist es, dass Andrina Mracnikar in ihrem Film den Betroffenen ihre Stimme (zurück)gibt. Bis heute, so stellt sich heraus, werden die gesetzlichen Bestimmungen zu zweisprachigen Beschriftungen von den Behörden oft ignoriert: So hat die Heimatgemeinde der Filmemacherin, Keutschach/Hodiše, als „Kompromiss“ bis heute gar keine Ortstafel, sondern nur eine Verkehrstafel zur Geschwindigkeitsbegrenzung.
Angelpunkt aller Ereignisse ist die slowenische Sprache. Immer wieder ist die Stimme von Andrina Mracnikar zu hören, als Fragende und auch als Erzählerin, wenn sie davon spricht, wie eng das Slowenische mit kultureller Identität und emotionaler Verbundenheit verknüpft ist: manches lässt sich für sie nur slowenisch ausdrücken. So birgt auch der Familienname Mracnikar, der zwischenzeitlich eingedeutscht und später wieder ins slowenische Original zurückgeändert wurde, eine assoziationsreiche Geschichte.
1938 wurde die slowenische Sprache verboten, Plakate propagierten: „Der Kärntner spricht Deutsch“. Eine Anweisung, die bis heute im kollektiven Gedächtnis der deutschsprachigen Bevölkerung weiterlebt und stur wiederholt wird, ohne nach dem Warum zu fragen. Dieses schmerzliche Erbe hat Anteil am Verlust der Sprache im Alltag vieler Kärntner Slowen*innen. Einige davon kommen im Film zu Wort und zeichnen ein Bild des heutigen Kärntens, in dem eine Minderheit nach wie vor um ihre einst zugesagten Rechte kämpfen muss.
Früher lernten die Kinder slowenischer Familien erst in der Schule Deutsch, heute ist es umgekehrt. Wie wird das in 30 Jahren sein?, fragt die Regisseurin. Redet dann noch jemand Slowenisch? Was nützt die Sprache, wenn man sie mit niemandem mehr sprechen kann? Was stirbt mit der Sprache? Die Erinnerung? Die eigene Geschichte?
Am Ende des Films wird das Bauernhaus der Großmutter abgerissen, ein neues Haus soll entstehen. Verschwinden/Izginjanje ist ein bleibendes Andenken an das ehemalige familiäre Zentrum und seine Bewohner*innen und ein filmisches Mahnmal gegen das Vergessen.